Verzugsschaden nach Art. 106 OR

Der Verzugsschaden ist ein kontrovers diskutiertes Thema. Er erhitz die Gemüter.

Zusammenfassung: Es gibt den Verzugsschaden nach Art. 106 OR. Das Inkassobüro macht einen VORSCHLAG wie hoch der Verzugsschaden ausgefallen ist. Jedoch entscheidet der Richter (falls geklagt wird) darüber, ob der Verzugsschaden korrekt ist.

Auf der einen Seite die Inkassobüros welche auf die Rechtmässigkeit des Verzugsschadens bestehen auf der anderen Seite der Konsumentenschutz. Der Konsumentenschutz macht unter dem Suchbegriff „Verzugsschaden“ sogar Werbung für einen Musterbrief und am 19.05.2016 hat der SKS noch eine Pressemitteilung versendet.
google_verzugsschaden
Angeblich hat die Stiftung Konsumentenschutz sogar einen „Musterfall Intrum Justita 2010„. Wer jedoch genau hinschaut, stellt fest, dass der Konsumentenschutz die Rückzahlung verlangte und Intrum Justitia dieser Aufforderung nachkam.

Zusammengefasst, kann gesagt werden:

  • Inkassobüro: Der Verzugschaden ist Gerechtfertigt. Der Verband Schweizerischer Inkassotreuhandinstitute hat eine Verzugsschadentabelle Gutgeheissen.
  • Konsumentenschutz: Der Verzugsschaden ist nicht erlaubt, gem. Art. 27 Abs. 3 SchKG.

Wir wollen nun etwas Licht ins Dunkel bringen.

Im Zusammenhang mit Verzugsschaden spielen die folgenden Gesetze eine Rolle:

Art. 106. OR 1 Hat der Gläubiger einen grösseren Schaden erlitten, als ihm durch die Verzugszinse vergütet wird, so ist der Schuldner zum Ersatze auch dieses Schadens verpflichtet, wenn er nicht beweist, dass ihm keinerlei Verschulden zur Last falle.
2 Lässt sich dieser grössere Schaden zum voraus abschätzen, so kann der Richter den Ersatz schon im Urteil über den Hauptanspruch festsetzen.

Art. 27 SchKG Abs. 3 Niemand kann verpflichtet werden, einen gewerbsmässigen Vertreter zu bestellen. Die Kosten der Vertretung dürfen nicht dem Schuldner überbunden werden.

Somit ist klar, der Schuldner muss den Verzugsschaden ersetzen. Es ist aber auch klar, dass die Kosten einer Vertretung nicht auf den Schuldner überbunden werden können. ACHTUNG: ein Inkassobüro muss nicht zwingend Vertreter sein. Die Forderung kann vom Gläubiger auch an das Inkassobüro zediert worden sein (mehr dazu hier).

Auch hat das Bundesgericht bereits mehrmals Verzugsschaden gesprochen:

  • BGer, 7.10.2002, 5C.122/2002
  • BGE 123 III 243
  • BGE 109 II 436 = Pra 1984, 141 f.
  • BGE 76 II 375; 60 II 340 = Pra 1934, 454 ff.

Das Bundesgericht hat auch schon den Verzugsschaden verweigert:

  • BGE 47 II 301; SJZ 1931/32, 149 Nr. 141;
  • BGer, 19.5.2003, 4C.11/2003 (In diesem Prozess war die Frage ob Prozesskosten (Vertreterkosten) Verzugsschaden ist)

ABER das Bundesgericht hat auch festgehalten (BGE 123 III 243; 117 II 258; 109 II 443 = Pra 1984, 143), dass der Verzugsschaden durch den Gläubiger zu beweisen ist.

Somit ist festzuhalten: Es gibt den Verzugsschaden nach Art. 106 OR. Das Inkassobüro macht einen VORSCHLAG wie hoch der Verzugsschaden ausgefallen ist. Jedoch entscheidet der Richter darüber, ob der Verzugsschaden korrekt ist.

Kommt es jedoch zum Prozess, sind die eigentlichen Prozesskosten und Parteientschädigungen die viel grösseren und teuren Positionen. Auf der anderen Seite werden sich die wenigsten Inkassobüros die Mühe machen, den Verzugsschaden TATSÄCHLICH vor Gericht einzuklagen.

Wir haben jedoch verschiedene Rechtskräftige Entscheide, in welchen uns Verzugsschaden zugesprochen wurde.

Die Frage ist, wollen Sie es wirklich rausfinden, ob geklagt wird oder zahlen sie doch lieber? Denn wir klagen auch, wenn es sich nicht loht…